Mit den Momentaufnahmen fasse ich Gedanken zu Worten und Sätzen. Erlebnisse oder Begegnungen, die mich auf Gedankenreise geschickt haben, wohin auch immer… ich möchte sie hier gern mit euch teilen.
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Die Nachricht traf mich unerwartet:
„Du hast doch M. zu ihrer Hochzeit schön gemacht… wahrscheinlich hattet Ihr keinen Kontakt. Aber M. ist eingeschlafen….“
(sinngemäß und gekürzt)
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Eine Frau in meinem Alter.
Eingeschlafen.
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Kurz nach unserem Umzug von Potsdam nach Karlsruhe hatte ich zugesagt, sie an einem ganz wichtigen Tag ihres Lebens ein Stückchen zu begleiten: zu ihrer Hochzeit. Eine lebensfrohe, energiegeladene und fröhliche Frau begegnete mir. Voller Pläne, voller Tatendrang. Sie beeindruckte mich mit ihrer lebendigen Art. Der Hochzeitsmorgen war wunderbar – die Stimmung hervorragend.
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Jetzt ist sie eingeschlafen.
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Ganz unabhängig von dem Warum, Wieso und Weshalb hielt mein Leben für einen Augenblick inne. Ich stand M. nicht nahe, kannte sie kaum. Und trotzdem traf mich die Botschaft ins Herz und brachte eine Gedankenlawine ins Rollen.
Denn wie selbstverständlich erwarten wir es zu leben. Ein- und ausatmen passiert wie von selbst und ohne, dass wir dem Atem größere Beachtung beimessen. Natürlich gehen wir am Abend ins Bett im Wissen am nächsten Morgen wieder aufzuwachen. Wir machen uns selten einen Kopf ums Leben. Denn Leben ist normal. Und das ist auch gut so!
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Normal … wirklich?
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Die Botschaft von M.’s Tod hat mich getroffen. Denn auch ich lebe wie die meisten von uns ganz selbstverständlich. Tag für Tag.
Manchmal einfach so in den Tag hinein. Ohne Sinn. Ohne Aufmerksamkeit. Ohne Dankbarkeit. Nehme es wie selbstverständlich hin. Denke eher weniger darüber nach, welches Geschenk LEBEN eigentlich ist.
Ich habe eine Kerze für M. angezündet. Denn „ein Kerz’l hilft immer!“ sagt mein Vater. Und mich an dieses großartige Geschenk erinnert. Das LEBEN heißt. Mich ein bisschen geschämt, dass ich so oft jammere darüber, dass wieder ein Gelenk entzündet ist, der Rücken wehtut oder dass ich mich gerade ein bisschen unförmig fühle.
Ist doch eigentlich egal, oder?
Ich lebe und atme. Bin einigermaßen gesund. Und es liegt ganz viel in meinen eigenen Händen, aus diesem meinen LEBEN das Beste zu machen.
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Das LEBEN feiern!
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Eine schöne Floskel, nicht wahr? In einem solchen Moment bekommt sie aber eine ganz neue Bedeutung. Und in meine Gedankenkreise mischt sich Dankbarkeit. Aufmerksamkeit für mein eigenes Leben.
Dankbar sein und das allerbeste aus diesem Leben machen, das mir geschenkt wurde. Vielleicht sollten wir uns alle jeden Tag für einen kurzen Augenblick ganz bewusst darauf besinnen, wie schnell so ein LEBEN vorbei sein kann. Und was für ein Wunder es ist, dass wir jeden Morgen aufwachen dürfen, wie selbstverständlich atmen, lachen, weinen … fühlen können. Und mit dieser Achtung vor dem Leben jeden Tag neu bestreiten.
In diesem Sinne
Kerstin
Januar 20 2021Liebe Anja,
Dein Beitrag hat mich auch gerade nachdenklich gemacht. Gerade im Augenblick jammern wir alle wahrscheinlich mehr als sonst (und oft auch durchaus berechtigt), aber in der Gesamtschau geht es uns hier in Deutschland immer noch ziemlich gut. Mir fehlen zwar auch die persönlichen Begegnungen und Berührungen, aber ich bin auch (ziemlich) gesund, auch nicht (oder nur ein bisschen) unförmig und muss auch keine Existenzangst haben. Meiner Tochter geht es auch gut. Also schließe ich mich Dir an und erhebe meine Kaffeetasse auf das Leben. Wunderbar, dass wir es haben!
Deine Kerstin
Nicole
Januar 20 2021Liebe Anja,
Puh, du triffst es. Und mir geht es wie dir: Ich muss denjenigen nicht gut kennen, um Mitgefühl zu entwickeln, betroffen zu sein. Schön, wie du ihrer und dem Leben gedacht hast. Denn genauso ist es: Wir sollten es feiern, dankbar sein. Wir haben nur dieses eine. Und nur so viel: Ich habe das sehr früh erfahren müssen und es hat mich geprägt. Deshalb dürfen wir auch mal Meckern über großes und kleines, aber nie vergessen: Wir können es noch, weil wir leben.
Mein Mitgefühl an dich, aber auch Freude, dass du so empfinden kannst.
Alles Liebe und pass auf dich auf,
Nicole
Kerstin Bunke
Januar 20 2021Das hast du sehr schön geschrieben liebe Anja. Es hat mich berührt. Und genau so ist es.
Lasst uns das Leben feiern!
LG Kerstin :-))
Natalie
Januar 20 2021Liebe Anja!
Wie so oft triffst Du einen Nerv. Das ist mir fast schon ein bisschen unheimlich. 🙂 Als im November der Mann einer Kollegin plötzlich starb, hat mich das sehr nachdenklich gemacht. Ich denke im Grunde schon eine ganze Weile nach…vielleicht ist es auch gerade diese Phase, in der wir alle miteinander stecken. Oder mein 50. Geburtstag…Wahrscheinlich eine Mischung aus allem. Es ist doch schön, wenn wir nicht komplett abstumpfen, sondern sensibel sind und achtsam bleiben. Das sollten wir uns bewahren: Wenn der Wäscheberg sich türmt, die Kinder zankig sind oder der Himmel grau ist. Ich schreibe mir jeden Tag drei Dinge auf, die schön waren. Das lenkt den Fokus auf das Positive.
Christine
Januar 20 2021Liebe Anja,
Danke für Deine Gedanken – haben auch mir ‘mal wieder einen wichtigen Impuls gegeben!
Tja, so laufe auch ich meist recht unachtsam durch’s Leben! Ich erschrecke immer wieder, heute bei deinem Artikel, wie wenig ich das Leben achte! Es ist selbstverständlich da, läuft seinen Gang. Aber das Innehalten, Reflektieren und Dankbarkeit, vergesse auch ich immer wieder.
Danke für die Erinnerung!
Sonja
Januar 20 2021Liebe Anja.
Du hast wunderbare Worte für deine Gefühle gefunden. Auch für meine. Vielen Dank dafür.
Während einer Yoga Stunde greift meine Lehrerin oft auf eine Affirmation zurück. „Zurück zu unserem Atem, der uns immer verlässlich begleitet“ .
Aber tut er das? Bei den meisten sicherlich. Für mich als Asthmapatientin ist er es nicht – nicht selbstverständlich. Es ist *mein* ganz persönliches Geschenk, wenn er fließt ohne zu stocken, ohne eng zu sein.
So bin ich dankbar, wenn er fließt und mich meine Yoga Lehrerin in einer Stunde durch ihre Worte (wieder ) darauf aufmerksam macht.
Versuchen das Beste aus dem Leben zu machen mit vielen schönen, kleinen Momenten, mit viel Lachen, mit Sonnenschein. Solche von dir beschriebenen Momente machen es uns wieder deutlich. Vielleicht auch gerade in dieser sehr komischen Zeit. Manchmal gelingt besser, manchmal nicht so gut. Ich finde der Versuch zählt.
Liebe Grüße Sonja
Julia
Januar 20 2021Du hast ja so recht, liebe Anja!
Vielen Dank für die Erinnerung! Gerade in dieser Zeit doppelt wertvoll!
Johanna
Januar 21 2021Liebe Anja!
Die Frage, die sich mir aufdrängt, ist, warum Dich (uns) der Tod Ms betroffen macht und warum wir über das Leben, den Atmen und die Gesundheit nachdenken? Brauchen wir wirklich Erinnerungen, dass keine von uns hier lebend rauskommt? Ist es nicht auch OK, einfach zu leben, in den Tag hineinzusein, nichts besonderes zu vollbringen? Ich habe keine Antworten und biete auch keine an. Nicht mal drei Jahre nach unserer Hochzeit (für die Du mich so hübsch gemacht hattest) ist mein Süßer für immer gegangen. Seitdem denke ich „einen Tag auf ein Mal“. Jede macht das, wie sie es möchte, kann, schafft.
Deine Johanna
schminktante
Januar 21 2021Liebe Johanna,
natürlich kann man einfach mal so in den Tag hinein leben. Aber angesichts des vielen Klagens, der vielen Beschwerden über Nichtigkeiten habe ich mir nach dieser Nachricht deutlich gemacht, wie kurz unser Leben sein kann. Und dass ich das Leben das ich habe lieber mit Dankbarkeit und Aufmerksamkeit füllen möchte – dieses Bewusstmachen hat mir sehr gut getan.
Alles Liebe
Anja
Manu
Januar 24 2021DANKE.
Mir geht es auch eher so dass ich manchmal denke ich denke schon viel zu viel über den Tod nach. Ich bin jetzt 40. Habe ich aber mit 20 auch schon. Und es beklemmt mich und ich werde traurig. Die Zeit rast viel zu schnell…
Alles Liebe
Manu
Sandra
April 27 2022Hallo
Bin gerade über diesen Beitrag von Dir gestolpert – er macht mich auch gerade betroffen! Du hast sowas von recht! Die meisten von uns leben so selbstverständlich, so normal, machen sich eben diese Gedanken nicht, was ich einerseits gut finde, weil man sonst trübsinnig werden könnte, andererseits tut uns allen ein kurzes Innehalten und Nachdenken auch gut – gut hast du uns resp. mich wieder daran erinnert wie überhaupt nicht selbstverständlich unser Leben jeden Tag ist. Ich werde mir meine kleinen Gedankeninseln wieder mehr ins Gedächtnis rufen und danke dir herzlich für Deinen Anstoss dafür.
Herzlicher Gruss Sandra