Titelfoto: Nils Leon Brauer
Es ist kein Geheimnis, dass ich mich seit einigen Jahren mit Fragen rund um Nachhaltigkeit beschäftige und Marken mit Produkten finde, die unbedenkliche Inhaltsstoffe haben. Unbedenklich heißt für mich: keine schädlichen Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt. Und dass ich mein Equipment nach und nach auf diese Produkte umgestellt habe, weiterhin nach tollen Alternativen zu konventioneller Kosmetik suche und auch versuche, meinen Lebensstil und mein Konsumverhalten deutlich nachhaltiger zu gestalten. Das klappt noch nicht immer ganz konsequent, aber immer besser.
Ich bin der festen Überzeugung, dass auf unserer Welt für den Großteil der Erdbevölkerung irgendwann gar nichts mehr funktioniert, wenn wir uns nicht gut um unseren Planeten kümmern. Und verstehe niemanden, der den Klimawandel zum Märchen erklärt und auf unendliches Wachstum setzt… Wir sehen überall die verheerenden Folgen einer solchen Politik.
Seit 2023 werde ich immer wieder mal für Veranstaltungen Bündnis 90/DIE GRÜNEN gebucht. Im letzten Jahr hatte ich die große Freude, Claudia Roth ein Make up zu machen und konnte ein bisschen mit ihr plaudern. Eine beeindruckende Frau mit großem Herzen, gutem Humor, einem klugen Kopf und enorm viel Erfahrung (immerhin war sie in den 1980ern schon Managerin von Ton Steine Scherben… wusstet ihr, dass Rio Reisers Kulthit „Junimond“ von Rios Bruder Paul eigens für Claudia geschrieben wurde???) . Natürlich habe ich nicht locker gelassen und freue mich heute wie ein Keks mit Schokoguss, dass Claudia Roth auch die Fragen einer Schminktante beantwortet hat. Euch erwartet ein wirklich spannendes Beautyinterview!
Los geht’s!
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Claudia, sag doch mal…
Wie definierst du für dich den Begriff Schönheit? Wen oder was empfindest du als schön?
Schönheit bedeutet für mich, authentisch zu sein – sich selbst treu zu bleiben, Haltung zu zeigen und mit offenem Herzen durchs Leben zu gehen. Sie hat viel mit Courage zu tun, mit dem Einsatz für Demokratie, Gerechtigkeit und den Zusammenhalt in unserer offenen, vielfältigen Gesellschaft.
Menschen, die für ihre Überzeugungen einstehen, sind für mich schön. Und auch, wenn es klischeehaft klingen mag: Schönheit kommt tatsächlich von innen. Sie zeigt sich in den Gesichtern von Menschen – ob jung oder junggeblieben – in einem wunderbaren Lachen und in Augen, die strahlen. Ein strahlendes Lächeln macht Menschen einfach schön.
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Als Staatsministerin und Abgeordnete des Deutschen Bundestages stehst du im öffentlichen Fokus. Wie gehst du persönlich mit gesellschaftlichen Erwartungen an das äußere Erscheinungsbild von Politikerinnen um?
Gerade Frauen in der Politik sehen sich immer wieder mit absurden Erwartungen konfrontiert: Mal heißt es, man trage zu viel Make-up, mal zu wenig. Mal ist das Outfit zu bunt, dann wieder zu unscheinbar. Ob Kleid oder Hosenanzug – du kannst es eigentlich niemandem recht machen. Und genau deswegen ist das Wichtigste: sich selbst treu zu bleiben. Ich habe mich nie in eine Schablone pressen lassen – meine Farbenfreude gehört zu mir, sie ist ein Ausdruck meiner Persönlichkeit. Gerade jungen Frauen möchte ich mitgeben: Seid mutig, seid ihr selbst, lasst euch nicht vorschreiben, wie ihr auszusehen oder was ihr zu tragen habt.
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Hast du das Gefühl, dass Frauen in der Politik stärker durch ihr äußeres Erscheinungsbild beurteilt werden?
Ja, absolut. Frauen in der Politik werden immer noch viel stärker nach ihrem äußeren Erscheinungsbild bewertet als Männer – ob Frisur, Kleidung oder Mimik, alles steht unter Beobachtung. Dabei sind Mode und Auftreten, der eigene Stil, doch so viel mehr als bloße Äußerlichkeiten: Sie können Schutz sein, provozieren oder ein Statement setzen. Sie sind Ausdruck von Selbstbestimmung. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Frauen im Deutschen Bundestag keine Hosen tragen durften – diese Zeiten haben wir überwunden. Heute setzen wir mit Vielfalt, mit Individualität und ja, auch mit Buntheit ein Zeichen: Die patriarchale Männerwelt ist durchlässiger geworden. Und wir Frauen, mehr als die Hälfte der Gesellschaft, gehören genau hierhin – so, wie wir sind.
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Inspiriert dich dein Umgang mit Kunst und Kultur im Verständnis von Schönheit?
Definitiv! Kunst und Kultur sind in ihrer Vielfalt wunderschön – und genau diese Vielfalt prägt auch mein Verständnis von Schönheit. Schönheit ist für mich nicht normierbar, nicht eindimensional, sondern entsteht gerade im Nebeneinander, aber auch Miteinander unterschiedlichster Ausdrucksformen. Ob in der Malerei, in der Musik, im Theater oder in der Literatur. Kunst kann irritieren, verstören, berühren, Hoffnung geben. Sie eröffnet Räume für neue Perspektiven, für Kreativität, für Veränderung. Kunst zeigt auch die Wandelbarkeit von Schönheit, kann innere Schönheit zeigen und ja, Kunst zeigt uns auch überzogene Ideale von Schönheit, Fassaden von Schönheit, ihre Vielschichtigkeit. Und genau das inspiriert mich auch in meinem politischen Handeln: Schönheit ist Vielfalt, ist Freiheit, ist das Recht, anders und vor allem selbstbestimmt zu sein – und das müssen wir schützen und fördern.
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Bist du eher ein Beautyjunkie oder hältst du es im Badezimmer eher pragmatisch?
Ich bin kein Beautyjunkie, aber ich lege Wert darauf, mir bewusst Zeit für meine Beauty-Routine zu nehmen, mich gründlich abzuschminken und gute Produkte zu verwenden. Und da gehört für mich persönlich auch das Schminken dazu, es gibt mir ein anderes Selbstbewusstsein.
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Worauf achtest du bei der Wahl deiner Beautyprodukte?
Nachhaltigkeit! Ich achte darauf, dass Produkte bio, fair produziert und möglichst ohne schädliche Inhaltsstoffe sind.
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Gibt es irgendeine Begebenheit im Zusammenhang mit dem Thema Beauty, von der du sagst: nie wieder?
Nie wieder – das würde ich so nicht sagen. Aber: Ich würde mich auf gar keinen Fall einem plastisch-chirurgischen Eingriff unterziehen und zum Beispiel an meinen Lippen etwas verändern. Das habe ich nie getan und würde es auch nie tun. Natürlich kann jede*r für sich selbst entscheiden, was er oder sie mit dem eigenen Körper macht, aber für mich persönlich ist es wichtig, bei mir zu bleiben und erkennbar zu bleiben.
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Was hält dich jung?
Neugier! Ich bleibe jung, weil ich im Austausch mit den unterschiedlichsten Menschen stehe – auch mit jungen Menschen. Jung sein ist für mich keine Frage des Alters, sondern eine Haltung: offen bleiben, lernen, neugierig bleiben. Kunst und Kultur spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie eröffnen neue Perspektiven, lassen uns in andere Lebenswelten eintauchen und fördern Empathie für unterschiedliche Perspektiven und Lebensrealitäten. Sie schaffen Begegnungen, fordern uns heraus und schenken Inspiration. Genau das hält mich jung!
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Welchen Rat würdest du deinem jüngeren Ich mit auf den Weg geben?
Hab keine Angst, sei mutig, vertraue auf deine Intuition und lass dich nicht verbiegen.
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Welche Verantwortung hat deiner Meinung nach die Kulturpolitik, wenn es um Themen wie Body Positivity und die Darstellung realistischer Schönheitsbilder in Kunst, Film und Medien geht?
Kulturpolitik trägt eine große Verantwortung! Sie kann dazu beitragen, Vielfalt sichtbar zu machen, Stereotype aufzubrechen und neue Vorbilder zu schaffen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir Geschlechtergerechtigkeit und Diversität in der Kulturbranche aktiv fördern.
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Was wünschst du dir für die Beauty-Zukunft?
Dass wir Schönheit endlich frei von gesellschaftlichen Zwängen definieren! Dass jeder Mensch sich schön fühlen kann – unabhängig von Alter, Herkunft, Körperform oder Geschlecht. Schönheit ist Vielfalt, und diese Vielfalt sollten wir nicht nur akzeptieren, sondern feiern und sichtbar machen.
Karen
April 20 2025Sehr, sehr sympathisch! – Frohe Ostern!
Lydia
April 22 2025Ein rundum sympathisches Interview – Dankeschön