Heute muss ich unbedingt ein paar Gedanken mit euch teilen, die unsere zwischenmenschliche Kommunikation betreffen.
In den letzten Monaten begegnet mir verstärkt ein Phänomen der ganz neuen Art: Ich bekomme manchmal Kooperationsanfragen per E-Mail, die auf den ersten Blick seriös aussehen. Die meisten Anfragen lehne ich ohnehin ab, weil mir im Moment schlicht die Zeit fehlt, mich mit neuen Produkten auseinanderzusetzen. Also schreibe ich eine freundliche Absage.
Ein paar Tage später erhalte ich dieselbe Anfrage noch einmal. Wieder sage ich freundlich ab und beziehe mich dabei auf meine letzte Nachricht.
Noch ein paar Tage später erhalte ich dann die Nachricht, dass es ganz toll sei, dass ich Interesse an einer Zusammenarbeit hätte und wohin man denn bitte Testmuster senden solle. An dieser Stelle habe ich mich beim ersten „Fall“ sehr gewundert. Aber erneut eine Absage geschrieben.
Ratet, was kam… Die nächste Nachricht: Wohin man mir Testprodukte schicken könne. An dieser Stelle wurde ich ungeduldig. Ein solches Hin und Her kostet Zeit, die ich gerade nicht habe, und Nerven, weil die Gegenseite ein NEIN offenbar nicht versteht.
Eine Freundin brachte mich dann auf die richtige Spur: Der „Mensch”, der mir jedes Mal auf meine Nachrichten antwortete, war offenbar nichts weiter als eine schlecht trainierte KI. Jetzt könnte ich sagen: Okay, KI identifiziert, nicht mehr antworten und gut.
Aber ich habe über die Art der Entwicklung nachgedacht und stelle fest, wie sehr sie mich bedrückt und wütend macht.
Wo ist das Zwischenmenschliche hin?
In Zeiten, in denen Social-Media-Managerinnen jeden Satz tippen und Mailverläufe mit Kooperationspartnern länger sind als zehn Klorollen hintereinander. Die jedes Mal verbal erstarren, wenn ich mir den Spaß erlaube und sie einfach mal anrufe, um einen kurzen Part innerhalb einer Kooperation abzusprechen. Oder die dann erst gar nicht ans Telefon gehen.
In Zeiten, in denen Freundinnen nebeneinander sitzen und sich Whatsapp-Nachrichten schicken.
In Zeiten, in denen immer mehr Menschen sagen, dass sie es verabscheuen zu telefonieren.
In Zeiten, in denen man KI-Modelle fragt, wie man auf diese oder jene Nachricht antworten soll.
Sind Gespräche zwischen echten Menschen out? Sind sie nur etwas für eine älter werdende Generation, die mit Telefonen mit Wählscheibe und Kabel aufwuchs?
Warum hören wir auf, miteinander zu reden?
Ich könnte den Faden weiterlaufen lassen und fragen, warum wir einander immer weniger zuhören. Würde das zu weit führen?
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Die Zeiten sind hart – ich weiß. Weltpolitik, Klimakrise, etc. Wer die Zuschauer nicht innerhalb von 1,7 Sekunden mit einem Beitrag fesseln kann, hat seine Zuschauer verloren. Sekündlich erscheinen neue Beiträge in den sozialen Netzwerken. Sie machen unseren Geist müde und mürbe. Wir sitzen vor dem Fernseher und haben nebenbei das Handy in der Hand.
Und wir sind so müde. So müde von all dem Druck, den sie uns machen. Obwohl sie uns ja auch inspirieren. Und obwohl es viele Tipps gibt. Bei aller Inspiration und allem Druck vergessen wir eines: das Miteinander! Es ist einfacher, sich wortlos hinter einem blauen Bildschirm zu verkriechen und lediglich zu konsumieren. Den Kopf vermeintlich „mal” abzustellen. Damit geht so viel verloren.
Versteht mich bitte nicht falsch: Das hier ist keine Anklage. Hier läuft es manchmal ganz ähnlich wie oben beschrieben. Glücklicherweise können wir uns zu Hause immer wieder aus so einem Kreislauf herausholen. Wir machen bewusst einen Abendspaziergang ohne Handy und sprechen miteinander. Oder bewusst einen Film ohne Handybegleitung schauen. Und wir merken, wie gut das tut. Wie sehr es die Verbindung zueinander stärkt!
Und ich verteufele auch die künstliche Intelligenz nicht. In den richtigen Händen zur richtigen Zeit, ist sie ein kraftvolles Tool. Ich frage mich nur, wohin das alles führt, wenn wir die Fähigkeit der Kommunikation gänzlich verlieren.
Ich bin eine leidenschaftliche Whatsapp-Nutzerin. Textmessages und Sprachnachrichten sind mein Ding. In letzter Zeit verstärkt Sprachnachrichten. Neulich hörte ich in einem Podcast, wie sehr auch Sprachnachrichten von manchen verabscheut werden (diese lassen sie sich dank Transkriptionstool einfach in geschriebenes Wort „übersetzen“). Solche Sätze machen mich traurig. Warum verlernen wir diese ganz menschliche Art der Kommunikation? Können oder wollen wir nicht mehr direkt miteinander umgehen?.
Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Artikel schreiben und veröffentlichen soll. Einige werden meinen Punkt sicher nicht verstehen und sagen, das sei halt jetzt so.
Nachdem ich auf meinen Gedanken einige Zeit herumgekaut habe, habe ich zum Hörer gegriffen und mit FreundInnen telefoniert. Mich bewusst mit Menschen getroffen und von Angesicht zu Angesicht mit ihnen geredet. Und wisst ihr was? Das tat richtig gut! Es nährte mich. An Geist und Seele, schenkte Nähe und das Gefühl von Miteinander. Und das nachhaltig!
Ich weigere mich, in diesem anonymen Kommunikationszug mitzufahren. Ich möchte zumindest regelmäßig die Möglichkeit haben, auszusteigen und das reale Leben zu genießen.
Schreibt mir gerne, wie es euch mit der modernen Kommunikation geht. Hattet ihr auch schon einmal das Gefühl, ihr „unterhaltet“ euch mit einer KI? Wie geht ihr mit dieser Entwicklung um und was denkt ihr, wo das alles hinführt? In ein Szenario wie aus „WALL·E – Der Letzte räumt die Erde auf“?
Ich bin sehr gespannt auf eure Meinungen und Erfahrungen.

Liebe Anja, ich finde diese Entwicklung genauso schrecklich wie Du. Jüngere Kolleginnen u. Kollegen schreiben mich in der Arbeit per e-mail an, obwohl diese nur ein Zimmer weiter sitzen. Wenn ich dann zurück rufe, um eine Kleinigkeit zu besprechen reagieren sie leicht irritiert. Man kann telefonisch bzw. persönlich Kleinigkeiten innerhalb von ein paar Minuten erledigen. Aber ich habe echt keine Lust, 50 mal per e-mail wg. jedem …. hin und her zu schreiben. Das macht doch gar keinen Sinn.
Ich finde es auch ganz schlimm, wenn man bei Banken, Versicherungen etc. anruft und es antwortet nur noch eine Computerstimme mit dem Hinweis, man solle eine email schicken. Ist das kundenorientiert? Ich habe deshalb auch schon die Bank gewechselt.
Liebe Grüße
Marion B.
Liebe Anja,
Das was Du als Emails erhältst erschreckt mich. Und ja, die Kommunikation, insbesondere der jetzt etwa 15-25jährigen erschreckt mich: Gehen gemeinsam in die Kneipe und tippen auf ihren Handys rum. Oder es wird von allem ein Foto gemacht und gepostet.
Wir gehen auch ohne Handy spazieren oder ins Gym. Und abends lesend auf dem Sofa.
Ich hoffe, die nachwachsende Generation lernt aus dem „Handymissbrauch“ der Eltern.
LG
Karen
Das kenne ich leider zu gut: vermeintliche Freundinen melden sich nicht mehr, solange bis ich den Kontakt suche und selbst dann bleibt es unverbindlich und eine enge Freundin hat mich sogar mit ghosting abserviert. Die Menschen ziehen sich zurück und suchen kein Miteinander. Das macht mich traurig und ich leide körperlich, da es mich unentwegt beschäftigt.
Liebe Anja, wie recht du doch hast!
Liebe Grüße von der Generation mit der Wählscheibe!
Hallo, ich arbeite in einem Bereich, wo die Leute oft schon Emails, die länger als vier Sätze sind, nicht wirklich lesen, TLDR ( musste ich auch erst nachschauen) steht dann auch schon mal in der ‚Antwort‘. Tja, was soll man da machen? Ich denke, in kleineren Kreisen zusammenarbeiten, anerkennen, das Vertrauen aufbauen Zeit kostet, und das manches was einem Social Media zu vorspielt eher nicht weiterbringt ist ein Teil der Lösung. Aber es ist schwer.
Interessanter Post – vielen Dank dafür. Deine Gedanken regen zum Nachdenken an.
Ich persönlich telefoniere schon seit vielen Jahren nur noch wohldosiert und bekenne, da ein Vermeidungsverhalten entwickelt zu haben. Bei mir vermute ich den Grund in einer langjährigen beruflichen Tätigkeit, bei der ich fast nonstop telefonieren musste. Dabei ist mir sehr negativ aufgefallen, dass viele Menschen es nicht mehr schaffen, einen Sachverhalt kurz, knapp und präzise zusammenfassen und schnell auf den Punkt zu kommen.
Da wird gelabert und schwadroniert, ohne das eigentliche Anliegen zu erkennen und zu benennen. Das erscheint mir als eine heutige Tendenz und klaut wertvolle Lebenszeit.
Oder: es wurde alles mehrfach gesagt, und dann kommt vom Gesprächspartner noch das große „Ja, aber …“
Im Privaten stört es mich beim Telefonieren, dass ich in dem Moment nicht mehr Herrin meiner Zeit bin. Daher bevorzuge ich die Weitergabe einer kurzen Information per WhatsApp.
Meine liebsten Menschen treffe ich persönlich, da geschieht wahrer und ehrlicher Austausch, Erzählen, Zuhören, Mimik, und mit diesen Menschen würde ich auch nie Sprachnachrichten austauschen.
Sprachnachrichten kommen m.E. sowieso aus der Hölle, weil die wenigsten Menschen druckreif reden und auch dabei oft nicht zum Punkt kommen. Vielleicht ist mir da auch meine persönliche Ungeduld im Weg.
KI nutze ich natürlich. Allerdings schreibe und formuliere ich selbst so gerne, dass ich dabei keine Unterstützung benötige.
Liebe Anja, du schreibst genau das, was ich denke.
Ich befürchte aber manchmal, ich sei damit allein auf weiter Flur. Deshalb Danke, dass du deine Gedanken dazu mitgeteilt hast.
Vielleicht sind ‚wir‘ doch mehr als ich befürchtet habe.
Ich wünsche dir noch einen schönen Sonntag
Eva
Hallo liebe Anja!
Ich denke genauso wie Du!
Das Treffen mit Freunden, telefonieren mit Menschen ist mein Ding. Ich bin Jahrgang 1963, von Beruf Krankengymnastin, seit ein paar Jahren heißt das Physiotherapeutin und merke auch in meinem Beruf wie sich die Zeit verändert hat….. als ich letztens meine Patientin fragte wie das Leben jetzt so mit ihrem Erstgeborenen sei antwortete sie mir mit dem Satz: „ Ich habe jetzt definitiv weniger Handyzeit!“ Ich war dann doch etwas irritiert und sprachlos…. Es gibt noch viele andere Beispiele die mich auf die Frage bringen: „ Wo ist der normale Menschenverstand geblieben?“….. aber das ist ein anderes Thema….. Das digitale Zeitalter fordert seinen Tribut und es gibt keinen Rückwärtsgang mehr; ich versuche weiter mir meine eigene Welt, meine Weltanschauung zu bewahren und aus meinem bisherigen Leben und Wissen viel Miteinander mit Freude in vielen verschiedenen Begegnungen zu genießen
Liebe Grüße
Katharina
Hallo Anja du sprichst mir echt aus der Seele. Ich fühle es genauso und weißt du was, es macht mir Angst. Selbst bei den Kindern und Enkeln muss ich manchmal echt hartnäckig sein, weil diese Art der Kommunikation so selbstverständlich geworden ist. Umso schöner wenn Mutter sich dann durchgesetzt hat und alle plötzlich merken es geht auch anders und sogar gut. LG
Liebe Anja,
Du sprichst mir aus der Seele! Ich verteufel die sozialen Netzwerke nicht, schließlich habe ich dadurch schon einige meiner Instagram Kontakte persönlich kennen lernen dürfen. Aber dass Menschen im realen Leben nicht mehr miteinander reden weil es zu lange dauern könnte oder das Auseinandersetzen ein genaues Zu-hören bedarf, finde ich schwierig. Paare sitzen sich im Restaurant gegenüber und jeder ist am Handy. Bei zwischenmenschlichen Problemen wird KI gefragt anstatt richtig ins Gespräch zu gehen. Ja, es bedeutet zuzuhören, reinzufühlen und zu reflektieren und das alles bedeutet Zeit nehmen. In der schnelllebigen Zeit haben das, so mein Gefühl, viele verlernt. Ich stamme noch aus der beschriebenen älteren “ Wahlscheibengeneration“ und wünsche mir manchmal mehr “ miteinander “ zurück.
Hab einen schönen Sonntagabend,
liebe Grüße Petra