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Welcome Refugees: Einsatzbericht

einsatzfoto refugees welcome

Wie ihr wisst, beschäftigt mich das Thema Flüchtlinge und Flüchtlingspolitik in den letzten Wochen ganz stark. Die Bilder und Dokumentationen der Medien lassen mich weder los noch kalt. Teilweise bin ich berührt von der Berichterstattung, teilweise erschrocken.

Nach meinem virtuellen A***tritt bin ich aktiv geworden. Ich habe im Haus und im Freundeskreis Spenden gesammelt. Ich habe mich in unserer örtlichen Facebookgruppe angemeldet, um die aktuellen Informationen aus der Notunterkunft, Dienst- und Bedarfspläne zu studieren. Ich bin losgezogen und habe in der Drogerie Rossmann (die übrigens nicht bereit war, etwas zu spenden) halbe Regale an Shampoo, Duschgel und Deospray leergekauft.

Und dann war es soweit. Nachdem ich mich für einen Nachmittag für die Spendenannahme eingetragen hatte, bin ich mit zwei lieben Nachbarinnen und einem ganzen Auto voll Kleidung, Hygieneartikeln, Koffern, Taschen, Bügeln und Schuhen losgezogen in Richtung Notunterkunft. Kaum angekommen war ich auch mittendrin.

In Potsdam dient das ehemalige Landtagsgelände als Anlaufstelle. Viele, viele junge Menschen wuseln hin und her. Fahrradrikschas fahren eingesammelte und vorsortierte Spenden unaufhörlich in Kleiderkammer, Küche oder Drogerie. Waren des täglichen Bedarfs werden in alten Garagen dort auf dem Gelände gesammelt, die in Windeseile von Freiwilligen zum Lager umfunktioniert wurden. Fast minütlich öffnet sich die Schranke für Autos mit hilfsbereiten Menschen, die mitmachen wollen oder Spenden bringen. Kofferräume voll mit Lebensmitteln, Klamotten, Möbeln, Spielzeug, Kinderwägen. Menschen tragen säckeweise Kleidung zu Fuß zur Aufnahmestelle.

Eine ältere Dame steht vor mir und übergibt mir tränenumflort eine große Tüte mit den Sachen ihres verstorbenen Mannes: „Hier kommen sie endlich einem wirklich guten Zweck zugute.“

Eigentlich sollen wir zu diesem Zeitpunkt keine Anziehsachen für Herren mehr annehmen, außer Winterjacken in kleineren Größen. In der Tüte liegen liebevoll gebügelte und auf Knickfalte zusammengelegte Hemden, Hosen, Socken… Ich nehme ihr die Tüte ab und bedanke mich freudestrahlend. Auch sie strahlt. Ich weiß nicht, seit wann wieder das erste Mal. Ich bringe es nicht übers Herz, sie mit diesen Sachen wieder wegzuschicken und bin sicher, dass sich hier ein Abnehmer findet.

Eine Familie steigt mit drei Kindern aus einem rostigen Auto aus. Die Kinder laufen auf uns zu. Jedes übergibt uns etwas von seinem Spielzeug, die Eltern haben zusätzlich noch Papier und Stifte eingekauft. Ich bin zu Tränen gerührt.

Wieder andere bringen Dinge, die wir nicht annehmen können, weil die Lagerkapazitäten ausgeschöpft sind oder weil einfach keine XXL-Shirts gebraucht werden. Einige von ihnen sind darüber ungehalten und werfen uns Undank vor, andere wiederum verstehen und notieren sich die Internetadresse, über die sie die Bedarfsliste abrufen können. Leider mangelt es an Platz und neuer Platz wird von öffentlichen Stellen nicht oder nur zögerlich freigegeben.

Die große Hilfsbereitschaft hier in Potsdam ist mit Worten kaum zu beschreiben. So viele Menschen kommen und fragen, was sie tun oder was sie spenden können. Die meisten haben sich im Internet an der Bedarfsliste orientiert, die alle paar Stunden aktualisiert wird. Was auffällt: viele junge Menschen tun hier ehrenamtlich, unermüdlich und gut gelaunt ihren Dienst. Jeder wird freundlich aufgenommen und begrüßt. Alles geht recht unbürokratisch und friedlich, aber auch wohlgeordnet zu.

Ein VW-Bus bringt die Neuankömmlinge zur nahegelegenen Turnhalle, damit sie duschen können. Wir nennen ihn den Duschbus. Denn die Unterkünfte für die Flüchtlinge sind ja in ehemaligen Büros untergebracht. Am gleichen Nachmittag schaffen sich drei große Lastzüge Platz durchs Gewühl. Auf ihnen stehen Container.

„Das sind Duschen und sanitäre Anlagen.“, erklärt Andrea.

Die Container kommen aus Polen und Mazedonien.

„In Deutschland gibt es keine mehr bzw. werden keine mehr zur Verfügung gestellt.“, sagt sie.

Ich bin sehr nachdenklich geworden.

Die vielen Freiwilligen überwiegen vor Ort und ich frage mich, wo diejenigen sind, die vor laufenden Kameras Betroffenheit heucheln und Willkommenskultur predigen. Wo sind all die Leute in Entscheidungspositionen, die jetzt auf kurzen Dienstwegen wirklich tolle Dinge in Gang setzen können? Dass alle mithelfen, kann man irgendwie schon erwarten. Immerhin leben wir alle gemeinsam in diesem Land. Kann es die deutsche Politik verantworten, dass eine Notunterkunft fast ausschließlich von Spenden und ehrenamtlichen Helfern unterhalten wird? Nicht wissend, wie lange die ehrenamtliche Welle der Einsatzbereitschaft anhält…

In einem Blog las ich einen sehr kritischen Beitrag zum aktuellen Thema. Die Autorin setzt sich sehr vorsichtig mit ihren Ängsten auseinander, die ich teilweise gut nachvollziehen kann. Darin erzählt sie von einer Psychologin, die berichtet, dass 30 % der Ankommenden schwer gewaltbereit sind und dass viele Männer ihr als Frau ganz offen verachtend begegnen.

Ich möchte weiterhin offen bleiben. Offen und hilfsbereit. Aber ich gestehe, dass auch ich ein bisschen ängstlich in die Zukunft schaue. Was, wenn unter den Geflüchteten auch Menschen eingeschleust werden, die den Terrorisumus nach Europa bringen wollen? Sind wir stark genug, Diejenigen in ihre Schranken zu weisen, die die Gastfreundschaft mit Füßen treten und Denjenigen ein wirklich neues Zuhause zu schaffen, indem wir sie gut intergrieren? Wird unsere Politik ausnahmsweise mal jenseits aller wirtschaftlichen Interessen vernünftig entscheiden? Und wie geht es weiter mit Europa? Mit Staaten, die sich all dem verschließen, indem sie Zäune und Mauern bauen?

All diese Fragen treiben mich um. Wie seht Ihr die gegenwärtige Situation? Engagiert Ihr Euch in Eurem Umfeld für Flüchtlinge? Welche kritischen Töne beschäftigen Euch in diesem Zusammenhang??

Wer helfen möchte, findet in dieser interessanten Infografik der ZEIT ganz sicher Einiges an Anregung. Außerdem gibt es auf der Seite WIE KANN ICH HELFEN viele nützliche Tipps und Informationen.

Alles Liebe, Eure Anja

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3 Comments
  • Babyblue
    September 23 2015

    Meinen Respekt haben alle, die aktiv helfen und nicht nur labern oder mit einem Schild dastehen mit „Refugees Welcome“. Ohne ehrenamtliche Hilfe wäre das Chaos unbeherrschbar. Ich denke aber, das wird es leider bald trotzdem sein. Ich will nicht zuviel schreiben, denn das würde das Kommentarfeld sprengen, aber ich kann nur allen raten, sich umfassend zu informieren und die Probleme, die das ganze mit sich bringt, nicht auszublenden. Ich persönlich (und damit steh ich nicht allein) denke, es wird bald zu großen Unruhen kommen, wenn nicht gar zu Schlimmeren. Das was hier passiert, hat größere Dimensionen und ich denke da ist erstmal nichts mehr zu stoppen. Ich glaube auch nicht, dass das hier zufällig passiert, ich denke die Obrigen wissen genau was sie tun bzw nicht tun…

  • Anke - Wohlfühlglück
    September 29 2015

    Ich finde es toll wie offen du bist! Und ein dickes Lob an alle, die einfach mit anpacken. Ich kann dich aber auch bestens verstehen – mich berühren die tollen Gesten und die Geschichten auch immer sehr.

  • Kathy
    Oktober 19 2015

    Mir brennt schon lange unter den Nägeln Dir besonders auf diesen Artikel hin zu schreiben. Meinen Respekt für diese Aktion liebe Anja! Auch, dass Du in Deinem Blog darüber berichtest und diese öffentliche Plattform nutzt finde ich super! Es braucht so viel Zivilcourage, Offenheit und Mut gegen den ganzen Hass und die Angst, die gerade von überall gegen Fremde geschürt wird. Mich berührt das ganze Thema auch sehr und ich habe viel größere Angst davor was passiert wenn Ängste und Fremdenfeindlichkeit gegen Offenheit und Hilfsbereitschaft siegen. Ich engagiere mich, wenn auch derzeit aus Zeitgründen nur mit finanziellen Mitteln und nicht mit Arbeitsaktionen….da ist aber definitiv mehr geplant. Ich bin auch unfassbar traurig darüber wie einige unsere Politiker mit dem Thema umgehen. In unserem Urlaub (am anderen Ende der Weltkugel) war ich außerdem ehrlich erstaunt wie häufig ich auf das Thema Flüchtlinge in Deutschland angesprochen wurde. Es findet also auch weltweit Beachtung wie wir damit umgehen.