Heute muss ich hier meinem Herzen ein bisschen Luft machen und kann hoffentlich etwas Licht in den Dschungel der INCIs, der Inhaltsstofflisten, bringen.
Auslöser für diesen Post ist eine Nachricht, die mich kürzlich nach einer Instagram-Story für die Natur(!!)kosmetikmarke Shamanic erreichte. Die Verfasserin schrieb, dass sie von mir sehr enttäuscht sei, dass ich derartige Produkte bewerben würde. Sie hätte mehrere Produkte der Marke mit der App ToxFox geprüft und diese hätte gefährliche Inhaltsstoffe gefunden.
Ein schneller Klick auf eine App, die eine Inhaltsstoffanalyse ungeachtet jeder Produktkategorie erstellt, und ZACK – schon geraten Marken in Verruf und mit ihnen auch diejenigen, die sich für sie begeistern. Ein über Jahre aufgebautes Vertrauen oder ein hart erarbeiteter guter Ruf werden in ihren Grundfesten erschüttert.
Wegen einer App.
Zur Erklärung: Die ToxFox App vom BUND gehört – genau wie die unabhängige CodeCheck App – zu den Tools, mit denen man Inhaltsstoffe in all den Produkten, mit denen man sich umgibt, auf ihre Schädlichkeit checken kann.
Wollt ihr wissen, um welchen „bösen“ Inhaltsstoff es ging?
Es war Titanium Dioxid. Es gilt als Inhaltsstoff, mit dem man alle möglichen Nuancen an Farbe mit einer hohen Deckkraft herstellen kann. Es wird in Hautpflegeprodukten und dekorativer Kosmetik als Weißpigment eingesetzt, findet in Lippenstiften, Zahnpasta und als UV-Filter in Sonnenschutzmitteln sein Einsatzgebiet. Wo es keine Gefahr für Leib und Leben darstellt.
Sobald man es in hohen Konzentrationen einatmet oder in hohen Dosen isst, kann es für den Körper gefährlich werden. Deshalb ist es seit 2022 auch in Nahrungsmitteln verboten.
Falls jemand tiefergehend interessiert ist: Ich habe vor einiger Zeit einen ausführlichen Artikel über Titanium Dioxid geschrieben.
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Was ich damit verdeutlichen will:
Auch wenn der Schein trügt und wenn die Apps ganz langsam besser werden – sie sind nicht frei von Fehl und Tadel! Auch wenn es mittlerweile bei beiden Apps unterschiedliche Kategorien gibt, scheint es mir immer noch so, als könnten Apps wie ToxFox oder CodeCheck nicht unterscheiden, ob ein Produkt außerhalb oder innerhalb des Körpers zum Einsatz kommt. Sie machen keinen Unterschied, ob Erwachsene oder Kinder damit in Berührung kommen.
Und hier liegt das Problem: Nutzer, die solchen Apps blind vertrauen können sollten, werden manchmal ordentlich in die Irre geführt. Das ist für euch als natürlich total doof, denn woher sollt ihr es wissen können?
Am Ende schadet es aber auch vielen guten Marken, die durch eine unvollständige oder unzureichende Bewertung der Inhaltsstoffe völlig zu Unrecht in Verruf geraten. Meist trifft es die kleinen Brands, die ihre Produkte mit viel Herzblut herstellen und wirklich genau schauen, mit welchen Inhaltsstoffen sie arbeiten, sich aber teure Zertifizierungen nicht leisten können.
Der oben beschriebene Fall ist einer von vielen. So oft bekomme ich Nachrichten von euch, wie ich denn dieses oder jenes im Gebrauch rechtfertigen würde, wo dieses Produkt doch so schlecht formuliert sei. Und das ärgert mich, und zwar nicht um meinetwillen!
Sicher, Apps wie Codecheck oder ToxFox sind erstmal gute Quellen, um überhaupt zu erfahren, was auf so einer Inhaltsstoffliste draufsteht und entsprechend in einem Produkt drin ist. Dass jemand ein Produkt nicht kauft, weil es eventuell einen schlecht bewerteten Inhaltsstoff hat, ist im Grunde auch nicht verkehrt. Wenn es hilft, sich besser zu fühlen, „das Richtige“ in den Warenkorb zu legen, bitteschön.
Und jetzt kommt mein ABER: Menge und Gift (ich kann es nicht oft genug sagen). Was in einem Produkt z.B. ganz vorne in einer Inhaltsstoffliste steht, ist mengenmäßig mehr drin als das, was ganz hinten steht. Manche der in geringen Mengen vorhandenen Stoffe gelangen nicht mal auf die Haut, weil sie eine Aufgabe erfüllen, die allein das Produkt betrifft (Textur, Zusammenhalt, etc.) – sie verpuffen manchmal bereits in der Luft, wenn man Produkt entnimmt.
Ihr wisst, dass ich nur empfehle, was zu 99,9% sauber formuliert ist und was ich euch gerne empfehlen mag. Ich bin nicht allwissend und nicht frei davon, auch mal Fehler zu machen. Aber ich mache meine Arbeit gewissenhaft.
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Zu Inhaltsstoffen -besonders zu denen, die ich nicht in meiner Kosmetik haben mag- gibt es hier auf schminktante.de ebenfalls bereits einen langen Artikel. Dort findet ihr so ein bisschen die Basis meiner Detektivarbeit, wenn es darum geht, wie ich meine Kooperationspartner unter anderem auswähle.
Damit aber nicht genug. Ich habe hier ein paar sehr zuverlässige Tipps für euch, wenn es um die Bewertung von kosmetischen Inhaltsstoffen geht. Denn es gibt sie, die Seiten, auf denen ihr eure Inhaltsstofflisten zuverlässig checken könnt – vielleicht nicht bequem als App, aber immerhin mit großer Datenbank im Netz.
Ich kann euch zum einen die Website von Hautschutzengel Ilka Zanger empfehlen. Dort kann man sich kostenfrei registrieren und kosmetische Inhaltsstoffe bzw. auch gesamte INCI – Listen unter die Lupe nehmen.
Wer ein bisschen Geld in die Hand nehmen möchte, weil er oder sie es ganz genau wissen will, dem empfehle ich die Kosmetikanalyse. Die gibt es schon richtig, richtig lange. Zwischenzeitlich war sie ein bisschen in Verruf geraten, aber der Verdacht ist aus meiner heutigen Sicht unbegründet. Angemeldete Nutzer:innen können hier sowohl nach Marken als auch nach einzelnen Inhaltsstoffen suchen, die ausschließlich für die Verwendung in Kosmetika gecheckt werden. Inhaltsstoffe werden erklärt und diese mit Quellen belegt. Wirkt sehr seriös und wird ab sofort von mir wieder regelmäßig frequentiert.
Man muss bei allen Dingen im Leben immer ein bisschen differenzieren. Es gibt nicht immer nur Schwarz oder Weiß. Manchmal hilft es, einfach seinen gesunden Menschenverstand einzuschalten und zu entscheiden (Menge und Gift). Ihr habt ja glücklicherweise immer die Wahl. 😉
Über eure Meinung zum Thema kosmetische Inhaltsstoffe und Inhaltsstoff-Checks freue ich mich sehr.
Bettina Koch
Mai 19 2024Liebe Anja,
diese Apps habe ich auch. Sie sind im Prinzip hilfreich, um Produkte auszuwählen und sich letztendlich zu entscheiden, was ich kaufe, oder eher nicht. Wie du schon geschrieben hast, werden die Hautpflegemittel ja nicht oral eingenommen und ob da jetzt 1 Inhaltsstoff bedenklich ist oder nicht, weist nicht unbedingt darauf hin, dass ich das Produkt im Regal stehen lasse.
Das ist ein sehr komplexes Thema, nichtsdestotrotz ist es für mich beim Kauf wichtig auch der Umwelt nicht zu schaden. Somit muss jeder für sich abwägen, was er oder sie für richtig hält.
Ich liebe deine Sonntagspost und lese sie immer mit großem Interesse.
Schöne Pfingsten und sonnige Grüße aus Karlsruhe nach Durlach
herzlich
Bettina Koch
Simonella
Mai 19 2024Liebe Anja!
Danke für deinen Einsatz, dich genau mit den Inhaltsstoffen verschiedener Produkte zu befassen und dich damit auseinandersetzen, das schätze ich an dir.
Ich habe aufgehört, verschiedene Apps zu nutzen, um die Verträglichkeit von Kosmetik zu überprüfen. Zum einem, wie du schon beschreibst, wird nicht genau unterschieden, welche Art der Verwendung und zum anderen habe ich glücklicherweise ein Grundwissen bezüglich der Incis, sodass ich erkenne, welche Produkte ich nutzen möchte und welche nicht. Es ist schade, dass manch einer den Aussagen irgendeiner App vertrauen, als selbst sich ein Bild davon zu machen. Klar, das ist aufwendig und mühsam, aber ich fühle mich wohler, wenn ich mir selbst Gedanken mache und dann entscheide, was ich kaufen und benutzen will!
Marsha
Mai 19 2024Danke für das unermüdliche Aufklären.
Marsha
Lydia
Mai 19 2024Guten Morgeeen
Danke noch für’s Begleiten durch den Dschungel, liebe Anja 😉
Tatsächlich ist „Hautschutzengel“ meine erste Wahl – meine Haut mag nämlich ziemlich viel nicht und Duftstoffe im Gesicht findet sie richtig ……. – ihr wisst schon 😉
Einen schönen Sonntag allen miteinander
Rike
Mai 19 2024Liebe Anja,
da ist das Komische bei Vielen. Es wird nur oberflächlich geschaut und die Leute suchen direkt um sich dann öffentlich zu profilieren. Der Tonfall den Influencern, öffentlichen Personen und Personen, die sich für Andere einsetzten, lässt dabei sehr oft „zu wünschen“. Im Netzt sind sie ja geschützt und müssen nicht dem Gegegnüber Rede und Antwort stehen. Knallen böse Zitate ins Netz. Dann ziehen sie weiterdann zum nächsten Opfer.
Aber- eine große Mehrzahl Deiner „Fans“ und Blogleser freuen sich auf den wöchentlichen Post und folgen Dir gerne regelmäßig auf Insta und Co.. Freuen sich auf die kleinen Spässe und nehmen Deine Artikel als kleine Auszeit. Nimm es Dir nicht so zu Herzen. Du machst hier einen tollen JOB und ich habe über die Jahre sehr sehr viel von Dir gelernt.
Fingerhut ist auch giftig, doch auch als vielseitiges Medikament seit dem Mittelalter bis heute genutzt. Wie Du schon sagst, es macht die Dosis und wie beim Fingerhut schon die Art der Anwendung. Wenn mir mal ein Artikel nicht gefällt lasse ich eher keine Reaktion dort. Oder schaue mir das genauer an. Ja, es gibt Blogger die manchmal alles quer Beet bewerben. Da sollte sich der Leser wieder (mehr) die Mühe machen und für sich filtern oder mehr hinterfragen!?
Kritik ist gut und fördert eine Weiterentwicklung. Aber sollte sie nur erfolgen, wenn ich Kritik begründen und einen anderen Vorschlag dazu gebe.
Daumen hoch für Deine Artikel und frohe Pfingsten. LG Rike
Daniela
Mai 19 2024Hallo, liebe Anja. Man kann sich auch verrückt machen wegen bestimmter Inhaltsstoffe. Ich vertraue dir und meinem Bauchgefühl und prüfe gar nicht erst mehr nach bei Codecheck. Was bringt es mir, wenn ich das Produkt, welches für mich und meine Haut stimmig ist absetze, nur weil Codecheck ein Daumen runter gibt. LG Daniela
Cora
Mai 19 2024Danke für alle Aufklärung zu dass Du Dir so viel Mühe gemacht hast, alles zu recherchieren und zusammenzufassen! Da steckt viel Arbeit drin. Ich habe schon öfter davon profitiert. Nur schade, dass man so vieles, das du empfiehlst, online kaufen muss. Ich möchte beim Kauf gerne riechen und fühlen.
Und mal ehrlich: man erkrankt nicht gleich, wenn man mal ein falsches INCI benutzt, letztendlich kauft man mit Kosmetik auch ein Gefühl und Wohlbefinden und will sich gut tun.
Eine Zeitlang habe ich alles gemieden, was Dimethicone enthält wie der Teufel das Weihwasser. Neulich habe ich beschlossen, dass es mir auf meine alten Tage egal ist und habe mir ein ganz böses Serum von der Marke, die ihre Verkäufer als Apotheker verkleidet, gekauft und liebe das Gefühl damit. Man kann nicht immer alles 100% richtig machen. Kritisch sein ist gut, aber manchmal möchte ich einfach ein Gefühl genießen.
Karen
Mai 19 2024Liebe Schminktante, ich lese Deine Blogartikel immer sehr gerne. Sie sind sehr informativ, vertrauensvoll recherchiert, auch für Laien sehr verständlich – und sympathisch! Für mich sehr wertvoll, da sie mir bei der einen oder anderen Entscheidungsfindung schon sehr geholfen haben. Herzlichen Dank für Deine tolle Arbeit!
Sonja Sironen
Mai 21 2024Liebe Anja Frankenhäuser,
ganz vielen Dank für diesen wertvollen Artikel. Wir als Hersteller zertifizierter Naturkosmetik erhalten immer wieder Rückmeldungen von Kunden, dass sie dies und jenes bei ToxFox oder Codecheck gelesen haben und nun unsere Produkte hinterfragen. Dabei ist es so unendlich wichtig, genau hinzuschauen. So wurden beispielsweise Inhaltsstoffe unserer Produkte mit Rechtschreibfehlern eingegeben und waren auf einmal ‚etwas ganz anderes‘ und bedenklich. Bei einem anderen Produkte sind INCIs hinterlegt, die wir bereits vor zehn Jahren geändert haben.
Leider scheinen wir als Hersteller eine Art ‚Vorschußmisstrauen‘ zu genießen, es war mit bisher trotz wiederholter Versuche nicht möglich, die falschen Listungen korrigieren zu lassen. Dabei ist es uns ja ganz genauso an Transparenz gelegen, wie den KundInnen. Ich wünsche mir eine Welt, in der es nicht um ‚Hersteller gegen Kunden‘ geht. Wir entwickeln aus Überzeugung und mit Begeisterung Naturkosmetik mit hochwertigen und ausgesuchten Inhaltsstoffen. Es kommt nichts in den Tiegel, was ich nicht auch selbst in meinem Gesicht haben wollte.
Unsere Kosmetik ist mit verschiedenen Naturkosmetiksiegeln ausgezeichnet. Um diese Siegel verwenden zu dürfen, unterziehen wir uns regelmäßigen Audits, in denen viel mehr als nur die INCI unter die Lupe genommen wird. Auch wenn die INCI-Apps bequem und einfach sind, kann ich den KundInnen nur nahelegen, sich mit den diversen Naturkosmetiksiegeln vertraut zu machen.
Herzlichen Dank für den tollen Blog, Sonja
Ines
Mai 22 2024Danke für den informativen Beitrag! Schade, wenn man das Denken einstellt und es an eine App abgibt…